An Bord mehrerer Schlachtschiffe der interplanetaren Raumflotte
Maren Kessler
Die Stille zwischen Pluto und dem Rand des Sonnensystems drückte gegen die Hülle der Thunderbolt. Auf der Brücke herrschte eine Atmosphäre, die Maren Kessler an ein Kirchenschiff erinnerte, in dem die Gemeinde den Atem anhielt. Vor ihren Augen flackerten die Diagramme der Langstreckensensoren. Dunkelheit umfing das Schiff, eine unendliche Schwärze, die das Metall der Außenhaut bis in den Kern kühlte. Maren rieb sich die Fingerkuppen. Kälte kroch trotz der Umweltkontrollen in ihre Knochen. Im verborgenen Kanal der Flotte versammelten sich die Kapitäne. Kein physischer Raum existierte für sie, nur dieser digitale Korridor, den sie als ihr eigenes Refugium betrachteten. Keine Fahne flatterte hier. Keine Laterne hing an Wänden. Dennoch trug der Austausch der Offiziere dieselbe Feierlichkeit wie eine Messe. Kompakt wirkten ihre Nachrichten. Habitualisiert durch jahrelangen Dienst an der Grenze. Ein Hauch von Schmäh schwang in jeder Zeile mit, eine notwendige Würze gegen die Einsamkeit.
Maren fixierte den Kommunikationsstrang auf ihrem Schirm. Er lief als dünne, sichere Leitung durch die Schaltkreise der Flotte. Sie stellte sich vor, wie die Kapitäne diese Leitung wie eine Schnur um die Finger legten und sachte daran zogen, um die Anwesenheit der anderen zu prüfen. Ein Pingen durchschnitt die sakrale Ruhe. Stumpf klang es. Trocken. „Angriffsauftrag eingegangen“, meldete der Textfluss. Der Tonfall erinnerte Maren an eine Vorladung zur Steuerprüfung. Jede Dringlichkeit fehlte, stattdessen herrschte bürokratische Kälte. Sie spürte das Gewicht, das nun auf den Schultern der Kapitäne lastete. Die Absicht hinter dem Befehl wog schwerer als die Order selbst. Hast prägte die Zeilen. Wirtschaftlichkeit dominierte den Satzbau. Rücksicht suchte man vergebens. Leere füllte den Raum zwischen den Buchstaben.
Fantozzi von der Excalibur schickte einen Kommentar, der trocken wie Wüstensand auf dem Schirm erschien: Legalität zweifelhaft. Obrerra von der Vigilance antwortete augenblicklich. Ein einziges Wort stand dort, leuchtend wie ein Versprechen: Verweigern. Maren beobachtete den Wortwechsel. Die Kapitäne hielten zusammen. Es wirkte, als hätten sie ein altes Gelöbnis mit ihren Händen unterschrieben und besiegelten es nun erneut. Die „Musketiere“. So nannte die Crew sie längst. Scherzhaft meinten sie es, doch Stolz schwang immer mit. Heute klang das Etikett wie ein Leuchten in der Dunkelheit, ein Leuchtfeuer gegen die heraufziehende Kälte. Keiner dieser Männer und Frauen wollte Blut sehen. Keiner verspürte den Drang, alte Hangups von Bürokratie und Machtmissbrauch hier draußen im kalten Raum auf ihre Tauglichkeit zur Schlachtführung zu testen.
Maren atmete tief ein. Ihre Hände schwebten über der Konsole. Sie fühlte sich wie eine Pianistin, die beim Kirchgang heimlich ein Solo übte. Präzision bestimmte ihre Bewegungen. Ihre Finger spielten Änderungen an den Diagnosescripten ein. Langsam ging sie vor. Unauffällig blieben ihre Eingriffe. Sie legte kleine Verzögerungen in den Code. Das System kündigte einen gründlichen, langwierigen Check an. Sabotage lag ihr fern. Sie schuf Zeit. Die Kapitäne brauchten diese Zeit dringend, so wie Gebäck im Ofen Ruhe benötigt, um aufzugehen. Fernando Ortez, der Flottenarzt, kommentierte das Prozedere im Kanal. Seine Metapher verlangte niemand, doch jeder begrüßte sie: „Wenn man ein Herz operiert, reißt man die Tür auf und schreit Befehle hinein.“ Ein kurzes Lachen flatterte durch das Kanalnetz. Es wirkte wie elektrische Funken in einer sonst kalten Leitung. Humor fungierte hier draußen als Gebet.
Admiral Bertoldo Durante übermittelt sein Signal. Sachlichkeit prägte seinen Ton. Er stand kurz vor seiner Entlassung aus dem Dienst. Maren wusste, dass er seinen letzten Stand niemals für eine Dummheit einsetzen würde. Ein Gruß erschien. Keine Panik schwang mit. Die Kapitäne lasen mehr in diese Botschaft als in jede offizielle Direktive. Nicht Treue heucheln, verstanden sie. Sondern Verantwortung tragen.
Bai, der Erste Offizier, stand einige Meter hinter Maren. Sein schwerer Atem drang durch die Stille der Brücke. Seine Stimme blieb professionell, als er Befehle bestätigte, aber die Anspannung schwang wie ein Metronom mit. Auch er verweigerte blinden Gehorsam. Sein Gewissen diktierte sein Handeln. „Technische Fehlfunktion“, schlug Maren leise vor, während ihre Finger weiter über die Tasten tanzten. „Gründliche Diagnose erforderlich.“ Knappe Zustimmung kam vom Admiral.
Fantozzi formulierte im Kanal die Frage, die als juristische Nadel dienen sollte: Wenn das Objekt keine Aggression zeigt, welche Rechtsgrundlage rechtfertigt Feuer? Obrerra pickte die Frage auf. Er hielt sie hoch wie eine Speckscheibe, präsentierte sie der Runde. Niemand nannte die Namen Hawthorne oder Blackthorn offen. Doch alle kannten die Silhouetten, die hinter den Befehlen standen. Hawthorne, deren Kühle man wie den Duft von steriler Bürokratie wahrnahm. Blackthorn, dessen Befehl wie eine Rechnungsstelle wirkte, deren Forderungen man begleichen musste.
Die Kapitäne tauschten Beweise wie Geschenke aus. Novak von der Merkur lieferte Übersetzungsprotokolle. Sie schickte die Daten mit der Schlichtheit jener, die Praxis stets vor Prestige stellten. Marcus Stern von der Mars-Akademie speiste astronomische Messreihen ein. Ein kleiner Absatz begleitete die Daten: „Keine Waffenbündel, nur Energiepulse, neugierig arrangiert.“ Maren las jeden Datenfaden. Sie entwirrte die Informationen. Die Details lagen vor ihr wie die Türchen eines Adventskalenders. Sie öffnete sie. Kleine Wunder kamen zum Vorschein.
Werner Vogt
Tief im Bauch der Vigilance roch es nach Ozon und warmem Metall. Werner Vogt, Waffen-Ingenieur und Ausbilder, betrachtete die Konsole vor sich. Eine Rolle fiel ihm zu, die ihm sichtbar Spaß bereitete. Er sprach niemals von Sabotage. Er sprach stets von Wartung. Neben ihm stand Sophia Horn. Die Kadettin agierte mit der Unbefangenheit einer Jugend, die aus Trotz gern die Regeln bog, sobald diese dumm erschienen. „Die Sicherung“, sagte Werner und deutete auf ein unscheinbares Bauteil. Unter seiner Anleitung verschob Sophia die Komponente. Die Sicherung landete jedoch an keinem gewöhnlichen Ort. Sie fand ihren Platz hinter einer Magnetplatte an der Schottwand. Eine winzige rote Schleife klebte dort. Jemand – Werner vermutete Obrerra – hatte sie als Anspielung an die Adventszeit befestigt. Sophia drückte die Sicherung fest. Das Symbol blieb dort. Für den Fall, dass jemand später nach Gründen fragte: „Fehlerhafte Sicherung. Sofortige Meldung.“ Werner las das Zeichen anders. Humor diente hier als Deckmantel der Moral. In einem anderen Kontext tarnte das Schleifchen vielleicht eine Verfehlung. Hier nutzte es Verantwortung. Es legte sich wie ein warmer Schal um die kalte Technik des Waffensystems.
Draußen, im fernen Politnetzwerk, schlug Blackthorn mit seinem Befehl auf die Flotte ein. Die Nachricht wirkte wie ein grober Kammstreich durch nasses Haar. Autorität erzwang er durch Druck, Einsicht fehlte ihm völlig. Hawthorne unterstützte diesen Druck. Jene nüchterne Effizienz, die oft in Quartalsberichten glühte, kennzeichnete ihr Handeln. Werner las die Nachrichten von oben als drohenden Frost. Doch die Kapitäne antworteten mit der Wärme ihrer Entscheidungen. Verzögerung, lautete die Devise.
Eine neue Nachricht schlug ein. „Direktfeuer genehmigt.“ Der Befehl packte die Luft im Maschinenraum an wie eine kalte Hand. Die Flotte erwartete Gehorsam. Werner sah zu Sophia. Sie nickte kaum merklich. Die Kapitäne antworteten mit einer Handlung, die auf Recht basierte, Treue spielte keine Rolle. Sie simulierten eine Systemfehlfunktion. Erneut prüften sie. Maren Kesslers Diagnoseskript meldete die Waffenprofile gehorsam als „inaktiv“. Werner stellte sich die Kapitäne vor, wie sie an den imaginären Schalthebeln standen. In ihrem gemeinsamen Blick glimmte ein Satz: Wenn Menschen einander schützen, dann beginnt Friedfertigkeit mit beharrlichem Nichtschießen. Sie wechselten Worte mit sich selbst in Form von Gesten. Kleine Befehle lagen wie Adventsnotizen in vertrauten Schubladen bereit.
Fantozzi warf ein trockenes Bonmot in den Kanal: „Wenn Krieg den Weihnachtsmann verfolgte, würde er wahrscheinlich die Rechnungen mitnehmen.“ Ein kurzes Auflachen reichte über Funk. Ein Band entstand, das stärker wirkte als jede Hierarchie.
Maren Kessler
Zurück auf der Brücke der Thunderbolt. Novak meldete sich. Die Merkurianer offerierten ein Kommunikationsprotokoll. Es fühlte sich an wie ein Geschenk aus weichen Textilien: simpel, herzlich, alles Militärische fehlte. Maren nahm das Protokoll entgegen. Sie webte es in ihren Code ein. Logik und Neugier tanzten nun miteinander auf ihrem Bildschirm. Die Korrespondenz zwischen Mensch und Objekt entstand als kleine, vorsichtige Choreografie. Ein Muster erschien hier. Ein Antwortmuster leuchtete dort auf. Maren beobachtete jedes Detail. Sie deutete jedes Muster als Lektüre eines möglichen Friedens.
Ein anderes Objekt glitt aus dem Dunkel in den Außenraum der Flotte. Kein Geschoss näherte sich. Ein kleiner Sender schwebte heran, kugelrund. Fäden aus Licht umgaben ihn, glitzernd wie Lametta in einem alten Theater. Auf dem Kanal stoppte jeder Atemzug. Niemand sagte „schaut“. Die Kapitäne reagierten anders. Hände verharrten über Tasten. Schultern senkten sich. Ein Diplomat der Merkurianer übersandte die Interpretation: „Geste des Austauschs.“ Die Kapitäne deuteten das Geschenk sofort. Die Antwort kam simpel: „Anbieten.“ Admirale, Kapitäne, Bells and whistles – alles tauchte für einen Moment unter dem immensen Bedürfnis nach Verständigung ab. Die Kapitäne zogen einen Vorschlag hoch. Orion Dynamics produzierte experimentelle Energiegeneratoren. Winzig waren sie, robust gebaut, mehr Geschenk als Waffe. Wenn Neugier das Motiv bildete, dann bestätigte ein Geschenk dieses Motiv zweifellos. Die Flotte übernahm die Rolle des Wichtelns.
Ortez packte medizinische Kits in kleine Blechdosen – letzteres geschah mehr aus theatrischer Laune denn aus echtem Bedarf. Er notierte eine scherzhafte Gebrauchsanweisung darauf: „Nicht für das Schlachten von Planeten geeignet.“ Engström, der Schwede, steuerte zwei gestrickte Mützen bei. Sie erschienen wie rote Tupfer in einer kalten Kommandozone. Vogt befestigte an einem Generator eine kleine Plakette: „Für das neugierige Herz.“ Sophia Horn rollte die Plakette mit der Unbefangenheit der Jungen zusammen. Das Geschenk glitt durch den Raum. Das Fremde antwortete in einer Abfolge von Lichtern. Maren transkribierte sie wie eine Melodie. Die Melodie erklärte nichts. Sie kündigte nur an: Neugier. Aggression fehlte vollständig. Interesse herrschte vor, Bedrohung existierte dort draußen anscheinend nur in den Köpfen der Admirale auf der Erde. Novak schickte Übersetzungsprotokolle wie tropfendes Kerzenwachs in den Kanal. Einfache Syntax prägte die Nachrichten. Höfliche Wortbruchstücke bildeten Sätze. Ein „Danke“ ohne Zorn kam an.
Blackthorn schlug erneut zu. Ein Ultimatum traf ein, kalkuliert und säureartig. Hawthorne forderte Entscheidungsfreude. Die Kapitäne antworteten. Begeisterung fehlte in ihrer Reaktion. Sie antworteten mit Beweisführung. Marcus Stern schickte seismische Daten. Keinen Puls von Waffenemissionen maßen die Sensoren, nur Muster von reiner Neugier. Die Kapitäne sammelten diese Beweise wie Krippenfiguren. Jede Figur stellte ein kleines Argument dar. Sie legten alles auf den metaphorischen Tisch. Sie führten einen sehr militärischen Akt aus: Transparenz. Die Beweise gingen an die Raumkommandostellen. Sie flossen in öffentliche Register. Sie erreichten diejenigen, deren Köpfe sich verzweifelt an Macht klammerten. Das Versenden der Beweise wirkte wie das Öffnen eines Adventskalenders in aller Öffentlichkeit. Überraschung herrschte, aber diesmal besaß sie moralische Substanz. Blackthorn schrumpfte in den Akten zusammen. Weniger durch Machtverlust als durch seine eigene Indiskretion verlor er an Größe. Seine Drohung blieb eine bloße Drohung. Neutralität und Fakten nahmen ihr jegliches Gewicht. Hawthorne sah sich in die Enge gedrückt. Sie zog die Reißleine.
Eine offizielle Revision der Daten traf ein. „Angriff auf Eis gestellt. Vorläufige Untersuchung angeordnet.“ Maren hörte das kollektive Ausatmen der Brückenbesatzung. Die Kapitäne atmeten nicht auf wie einzelne Herzen. Sie atmeten zusammen, als handelte es sich um eine gemeinsame Lunge.
Admiral Bertoldo Durante
Die Flotte wandte sich der Feier zu. Kein Fest der Politik erwartete sie, sondern eine einfache, menschliche Reaktion auf gerettetes Leben. Maren Kessler befestigte an jedem Konsolenrand winzige Lichter. Silbern glänzten sie, wie Sternchen. Jemand fand Zimtsterne in der Kombüse. Ein unverdächtiger Trost in der metallenen Welt. Ortez verteilte die Blechdosen mit einem schelmischen Knicks. Die Mützen fanden ihren Weg auf Köpfe, die niemals frieren durften, doch die Geste blieb bestehen. Die Kapitäne tauschten kleine Geschenke. Fantozzi überreichte Ortez eine Dose mit „Notfall-Gebäck“. Obrerra steckte Engström eine handgeschriebene Karte zu: „Für kältere Tage, warm genug für die Seele.“ Das Lachen schnürte Knoten von Anspannung auf. Funken der Erleichterung fielen wie Konfetti durch die Gänge der Schiffe. Admiral Durante schickte eine kurze Nachricht. Keiner musste sie interpretieren: Dank. Bai blieb höflich, seine Erleichterung verbarg er hinter Protokoll. Die Kapitäne lasen den Dank als Anerkennung. Ein Gelöbnis brauchten sie nicht.
In der Messesanlage des Flaggschiffs verzierten die Kapitäne einen Baum. Improvisiert wirkte er, gebaut aus alten Reaktorschirmungen und aufgehängtem Schlauchwerk. Die Lichter tanzten darauf. Eine Kerze – synthetisch, sicher – blinkte wie ein echtes Flackern. Für einen Augenblick fühlte sich die Flotte wie eine Gemeinde an, die an einem Adventabend zusammenrückte. Blackthorn verlor mehr als nur seine Befehlsgewalt. Seine Intrige enthüllte sich als Profitchance. Notwendigkeit fehlte ihr völlig. Hawthorne zog sich zurück aus der gepolten Arena. Fehler musste sie einsehen. Die Kapitäne standen im Zentrum einer neuen Ordnung. Weniger glorreich wirkte sie, dafür humaner. Das Militärrecht brachte Prüfungen mit sich. Die Kapitäne erwarteten Kritik. Sie verspürten jedoch keinen Drang, Absolution zu erbitten. Sie handelten. Das Handeln stand vor dem Urteil.
Die Merkurianer beantworteten die letzte Nachricht mit einem kleinen Lichtsturm. Er umtanzte die Flottenschiffe wie Weihnachtsschmuck eine Krippe. Die Centaurianer – so begann der Name in der menschlichen Übersetzung – sandten ein kleines, hölzernes Objekt zurück. Geschnitzt wirkte es. Schlicht. Ein Versprechen lag darin: Freundschaft ohne Bedrohung. Die Kapitäne empfingen das Geschenk. Sie stellten es neben den improvisierten Baum. In der Kombination aus Humor, Kalkül und menschlicher Wärme löste sich alles in Handlung auf. Die systematischen Störungen der Waffen lagen offen zutage. Die beabsichtigte Kommunikation zwischen Mensch und Fremdem stand als Beweis im Raum. Die Versuche von Blackthorn verkümmerten. Hawthorne ordnete eine Untersuchung an, die Blackthorn in den Schatten stellte. Politische Konsequenzen folgten. Öffentlich geschahen sie, Heimlichkeit wich Transparenz. Die Kapitäne standen vor keinem Kriegsgericht. Sie standen vor einer Untersuchungskommission, die sich mehr an Fakten band als an Rache. Aussagen nahmen die Schreiber auf. Protokolle veröffentlichte das Kommando. Die Kapitäne zeigten die Dokumente – Diagnoseprotokolle, Übersetzungen, Korrespondenzen. Die Welt hörte für eine Zeit dem zu, was Vernunft und Menschlichkeit sagten.
Der Advent endete nicht mit einer Schlacht. Er endete mit einem Austausch. Die Kapitäne, als Team, bewahrten mehr als nur ihre Ehre. Sie bewahrten ein Stück der menschlichen Art, das sich an kleinen Traditionen festhielt: gestrickte Mützen, Blechdosen, Kerzenlicht. Sie handelten fernab von Heldentum. Pflicht trieb sie an. Doch Pflicht und Weihnachten teilten diesmal das gleiche Ziel: Schutz.
Am letzten Abend, bevor Admiral Durante das Kommando übergab und den Abschied ohne Ruhm wählte, stellten die Kapitäne einen Tisch in der Messesarena auf. Kein Prunk zierte den Raum. Nur ein Tisch mit acht Stühlen stand dort. Kerzen aus sicherer Legierung leuchteten. Ein kleines Geschenkpaket lag für jeden bereit. Die Merkelianer schicken einen Stream mit leiser Musik. Fremd klang sie und doch warm. Die Kapitäne stießen an – Lautstärke vermieden sie, eher fanden sie einen zarten, aber bestimmten Einklang. Fantozzi hob sein Glas. Eine Gewohnheit aus einer anderen Zeit prägte seine Bewegung. Er verlieh dem Moment eine Bemerkung: „Für diejenigen, die Schilde blockieren und Herzen offenhalten.“ Ortez schenkte Lächeln in Form einer Geste, die mehr heilte als jede Doktrin. Obrerra murmelte etwas, das keiner übersetzen musste: Wir haben einander geschützt. Engström, der Schwede, grinste. Er reichte eine gestrickte Mütze weiter: „Für dein nächstes Eisabenteuer.“ Sophia Horn rückte ihre Plakette zurecht. Vogt klatschte ihr auf die Schulter. Kurz nur, als handelte es sich um eine bestandene Prüfung. Die Kapitäne schlossen den Abend. Kein Sieg über Feinde markierte das Ende. Sie feierten einen Sieg über Ungeduld und Dummheit. Die Geschenke lagen neben den Konsolen. Das kleine geschnitzte Objekt der Centaurianer stand neben der Magnetplatte mit der roten Schleife. Die Schleife blieb dort. Sie erinnerte an der Stelle daran, warum sie die Sicherung verlegt hatten: Sorge trieb sie an, niemals Trotz. Die Flotte zog sich langsam zurück. Angst fehlte in ihrer Bewegung. Gewissheit leitete sie, dass man einen anderen Anfang möglich gemacht hatte.
Das neue Objekt flog langsam zwischen den Schiffen durch. Es verschwand in der Dunkelheit des Kuiper-Gürtels. Es wirkte, als hätte es nur kurz angeklopft, um eine Kerze anzuzünden. Die Kapitäne sahen nicht bloß zu. Sie handelten. Die Handlung löste die Bedrohung auf. Die Kapitäne gaben die Verantwortung zurück – an die Politik, an das Recht, an die Wissenschaft. Bis dahin blieben das Geschenk, die Mütze, die Blechdose als Zeugen. Zeichen einer Nacht, in der Menschen entschieden, das Feuer zu verweigern. Eine Nacht, in der ein kleines, fremdes Holzobjekt die Bedeutung von Advent genau traf: Ankunft und Angebot.
Als Admiral Durante schließlich von Bord ging, nahm er keine Orden mit. Er trug eine gestrickte Mütze. Er trug ein Lächeln, das niemand ihm aufgedrängt hatte. Die Kapitäne zerstreuten sich in ihre Schiffe. Backbord und Steuerbord blinkten kleine Lichter an den Konsolen. Deren Flackern bedeutete jetzt keinen Alarm mehr. Es bedeutete Erinnerung. Der Raum blieb groß, kalt, logisch. Zugleich setzte sich ein kleines, warmes Stück Menschlichkeit dort fest, wie ein Stern über einer leeren Landschaft. Die Kapitäne trugen dieses Stück heimwärts. Sie hielten es bei sich, als Beginn einer Tradition. Eine Tradition, die weder Sieg noch Niederlage verlangte. Sie verlangte nur die Bereitschaft, die Waffe niederzulegen, wenn Menschlichkeit auf der anderen Seite klopfte. Die Geschichte endete mit dem Klang eines leichten, gemeinsamen Lachens. Es zog über Funk wie ein stilles Gebet. Die Kapitäne schlossen ihre Schichten. Draußen im All glitt etwas Fremdes weiter. Ein Meteor wie ein Weihnachtsstern. Im Inneren der Schiffe blickten Lichter. Auf einem Tisch lag eine kleine, geschnitzte Figur neben einer Magnetplatte mit roter Schleife. Adventskerzen blinkten synthetisch, doch warm. Frieden hatte sich für diesen Moment wie ein Schal um das Sonnensystem gelegt.
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